Gehört: „Billy Summers“ von Stephen King

Heute früh beim Laufen habe ich den Schluss des neuesten Stephen King-Romans „Billy Summers“ (wie immer meisterhaft gelesen von David Nathan) gehört. Wow! Das ging richtig schnell, denn angefangen hatte ich damit erst am Montag (heute ist Freitag).

Stephen King – Billy Summers

(Bild-Quelle: Apple Books, Screenshot des Hörbuch-Covers)


Aber der Roman hat mich vom ersten Moment an komplett vereinnahmt, ich konnte das Hörbuch kaum abschalten. Da war mir jeder Vorwand recht – die Spülmaschine aus- und einräumen, Spülen, Kochen, Aufräumen etc. –, Hauptsache, ich konnte weiter hören. Und so hörte ich die gut neunzehneinhalb Stunden innerhalb von fünf Tagen durch. Wäre da nicht immer wieder Arbeit dazwischen gekommen, bei der ich mich auf eben diese Arbeit konzentrieren musste, wäre ich schon ein oder zwei Tage früher fertig geworden. Dieses Buch ist ein absolut wilder Ritt, himmlisch!

Inhalt



Ich bemühe mich, die groben Züge der Story hier aufzuzeigen, ohne zu viel zu verraten, sonst verderbe ich noch jemandem den Spaß am Lesen/Hören – und das möchte ich auf keinen Fall.

Billy Summers ist ein ehemaliger Marine, der nach Ende seiner militärischen Karriere eine lukrative Nischenbeschäftigung als Auftragskiller gefunden hat. Seinen Auftraggebern spielt er den unterbelichteten Naivling vor, dabei ist er sehr belesen und höchst intelligent. Das hat ihm bislang auch erlaubt, in dem begrenzten und gefährlichen Arbeitsmark seines Berufsfelds sehr erfolgreich zu sein und darüber hinaus zu überleben. Das Buch beginnt mit dem neuen – und natürlich letzten – Auftrag seiner Karriere: Er soll sich in einem kleinen Nest einquartieren, um dort einen „schlechten Menschen“ an einem noch nicht näher spezifizierten Termin in der Zukunft beim Gang ins Gerichtsgebäude zu erschießen. Mehrere Monate lebt er getarnt als Schriftsteller in der Gegend, freundet sich mit den Nachbarn und deren Kindern an – und beginnt tatsächlich, seine eigene Lebensgeschichte aufzuschreiben. Das bringt ihn auf andere Gedanken, er reflektiert über seine Vergangenheit und beginnt damit, sich ein anderes Leben auszumalen. Schon ziemlich lange vor der Ausführung seines Auftrags bemerkt Billy, dass seine Auftraggeber ihm eine Falle stellen. Also plant er auf eigene Faust und schafft es tatsächlich, sich nach dem erfolgreichen Anschlag in eine zwischenzeitlich organisierte Zweitidentität zurückzuziehen. Gerade in der kritischen Wartezeit in den Tagen nach dem Attentat laden drei alkoholisierte Männer genau vor seinem Versteck eine junge Frau ab, die sie gerade kollektiv vergewaltigt haben. Billy weiß, sie liegen zu lassen, würde polizeiliche Ermittlungen in der Gegend nach sich ziehen. Also holt er sie in sein Domizil, pflegt sie gesund und offenbart ihr seine wahre Identität. Er erlaubt ihr (natürlich erst nach einer Weile des gegenseitigen Beschnupperns) sogar, die zu Beginn des Romans nur als Tarnung gedachte, mittlerweile aber essentielle Niederschrift seiner eigenen Lebensgeschichte zu lesen. Kurzum: Die beiden freunden sich an, was dann sogar dazu führt, dass Billy die drei Vergewaltiger aufsucht und bestraft.



An sich wäre das ja schon ganz gut, doch damit ist erst gut die Hälfte des Buchs abgedeckt. Mehr verrate ich aber nicht, doch ich kann schon soviel herausposaunen: Ab hier wird es nicht langweiliger, ganz im Gegenteil.

Schreibstil



Mir hat gefallen, dass der Erzählfluss ein – aus meiner Warte – geradezu perfektes Verhältnis von schnellen, actionreichen und den darauf vorbereitenden oder danach verarbeitenden Passagen aufweist. Ginge es nur actionreich vorwärts, dann hätte der Roman wohl kaum Tiefgang, denn diesen erreicht man in der Regel nur dann, wenn man das Tempo etwas abflauen lässt. Der Wechsel sorgt auch dafür, dass man sich immer wieder darauf freut, neue Elemente in der Handlung zu entdecken, denn die langsameren Erzählpassagen erlauben es, den vorherigen „Teufelsritt“ zu verdauen und den Geist für neue Informationen zu öffnen. Wie schon gesagt, mir kam das Verhältnis als genau richtig vor.

Ich habe schon seit Jahren den Verdacht, dass Stephen King mit dem Alter immer mehr Bücher abliefert, bei denen der früher dominierende Aspekt des Horror-Autors weit in den Hintergrund tritt. Stattdessen erleben wir einen gereiften Geschichten-Erzähler, der ein sehr feines Gespür dafür hat, wie das Tempo der Geschichte gestaltet sein muss, um die Leserschaft „am Ball“ zu halten.

Dieser Blog ist nicht gerade arm an Lobeshymnen auf Stephen King, das kommt aber nicht von ungefähr, denn ich schätze gerade die Romane der letzten zehn bis fünfzehn Jahre besonders. Ich lese und höre im Jahr zwischen 60 und 80 neue Bücher, zusätzlich gönne ich mir dazwischen auch immer wieder bereits bekannten Stoff, das schont den Geldbeutel – außerdem sind ja viele der Hörbücher gut, warum sollte ich sie also nicht noch einmal hören (vorausgesetzt, es gab eine gewisse Pausenzeit, sonst langweile ich mich, weil ich jede Wendung noch im Kopf habe). Und so komme ich mit sehr unterschiedlichen Schreibstilen in Berührung, lese junge und alte Autoren (und natürlich alles in der Mitte), genieße die stilistische Bandbreite – und merke natürlich auch, wo mein Geschmack liegt.

Umständliche, gestelzte und klobige Formulierungen, vor allem aber unendlich lange Absätze ohne visuelle Struktur und Kapitel, die am Stück 35 oder 40 Seiten umspannen – all diese Dinge sorgen dafür, dass ich mit einem Autor nicht warm werde. Das geht mir beispielsweise mit so ziemlichen allen Büchern von Stanislaw Lem, dessen Science Fiction-Klassiker „Solaris“ für mich eine reine Qual war, die „Robotermärchen“ waren nicht besser (hier). Bei Stephen King und meinen anderen Lieblings-Autoren gibt es in der Regel übersichtliche Absätze, klare und gut strukturierte Dialoge und Kapitel, die so kurz sind, dass man gerne auch noch „mal schnell ein Kapitel mehr“ lesen kann. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht so kurz, dass ich es nicht schaffen würde, längere Passagen zu packen, aber es liest sich einfach fürchterlich schlecht (und das sage ich als ein einstiger eifriger James Joyce-Leser...).

Wer mir das nicht glaubt, der nehme mal mehrere Bücher (egal welcher Art) aus dem Regal und schlage sie an einer beliebigen Stelle auf: Geht der Text quasi absatzbefreit beide Seiten durch, dann kann man davon ausgehen, dass sich das ziemlich anstrengend liest. Hat man aber alle fünf bis 15 (oder 20) Zeilen einen neuen Absatz, dann lockert das den Textfluss auf – was dann meistens gleichbedeutend ist mit einem höheren Lesetempo und einer leichteren Verdaulichkeit. Wer mir das nicht glauben will, darf den Eigenversuch sofort starten.

Und bei so ziemlich allem, was ich bislang von Stephen King, John Scalzi, Dean Koontz und Andreas Eschbach gelesen habe, ist es so, dass der aufgelockerte Schreibstil für das hohe Lesetempo und eine gute Verdaulichkeit des Gelesenen sorgen (bei Hörbüchern sorgt es auch für einen guten Fluss der Handlung, was natürlich das Folgen der Geschichte erleichtert).

Fazit



Der neue Stephen King-Roman „Billy Summers“ ist meiner Meinung nach sehr gelungen, sowohl hinsichtlich der Handlung als auch des Erzählstils. Das Hörbuch ist exzellent produziert, die fast zwanzig Stunden vergehen wie im Flug, was natürlich auch dem mittlerweile fest etablierten King-Vorleser David Nathan zu verdanken ist. Ich hatte viel Freude am Hören und freue mich schon auf das nächste Werk aus der Feder des „Meisters“.

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