Nicht gleich ums Eck...

Vor gut anderthalb Jahren äußerte unsere Mittlere den Wunsch, für ein halbes Jahr nach Neuseeland zu gehen. Sie sammelte Informationen, wir nahmen Kontakt mit der Organisation iST auf, die solche Sprach-Austausche organisiert. Dann kam COVID dazwischen. Nein, nicht bei uns (tatsächlich hatte aus unserer Kernfamilie bislang noch niemand Corona), eher generell, denn Neuseeland fuhr eine sehr restriktive Corona-Politik, die der möglichen Anzahl von Austauschschülern aus anderen Ländern eine ziemlich niedrige Grenze setzte. Die geplante Reise wurde also um sechs Monate verschoben: Statt in der ersten Hälfte der zehnten Klasse zu fahren, ist sie nun erst am 23. Januar, also ungefähr zu Beginn der zweiten Hälfte der zehnten Klasse, geflogen.

In den ganzen Monaten zuvor hatte sie sich sehr auf den Aufenthalt am anderen Ende der Welt gefreut, dann kam das Vorbereitungstreffen in Würzburg Anfang Dezember 2022. Ab da war – als hätte man einen Schalter umgelegt – alles ins Gegenteil verkehrt, der vormals mit Freuden erwartete mehrtägige Zwischenstopp in Sydney war plötzlich das am meisten gefürchtete Event, die drei Tage hätten am besten gleich ganz ausfallen dürfen… Und woran lag der plötzliche Umschwung in der generellen Stimmungslage? Zicken.

Bei dem Treffen waren mehrere junge Damen im Alter von ca. 17 Jahren, also etwas älter als unsere Mittlere. Kaum hatten diese Zicken unsere Tochter erblickt, kicherten sie dümmlich, benahmen sich herablassend etc. Das vergiftete die Stimmung so sehr, dass für unsere Tochter der herbeigesehnte Trip plötzlich zum Albtraum wurde. Ab da gab es (mit ganz wenigen Ausnahmen) täglich Tränen, oft mehrfach, die Angst davor, mit genau diesen Zicken mehrere Tage gemeinsam Sydney erleben zu müssen (von „wollen“ war zu diesem Zeitpunkt keine Rede mehr), bestimmte jeden Tag.

Das Abflug-Datum rückte näher und war schließlich erreicht, am 23. Januar ging‘s abends von Frankfurt am Main aus los nach Singapur. Das klappte gut, auch der Anschluss nach Sydney lief problemlos ab. Dann landete sie mit einer der Zicken in einem Zimmer – uff! Nun ja, Zähne zusammenbeißen, kurze und nichtssagende Antworten geben und hoffen, damit die drei Tage zu überleben, mehr war ja gar nicht verlangt. Das bekam sie auch bewundernswert hin.

Und dann kam der Supergau: Überschwemmung in Auckland, wo der Flug von Sydney aus hingehen sollte. Der Flug wurde abgesagt. Also kam es zu weiteren vier Tagen Aufenthalt in Sydney – mit den Zicken… Doppel-Uff! Aber sie hat es geschafft, vergangenen Dienstag ist sie endlich in Neuseeland angekommen und bei ihrer Gastmutter gelandet, wo sie allem Anschein nach ein Deluxe-Zimmer beziehen durfte. Seither ist die Stimmungslage generell besser geworden, es müssen aber noch ein paar Tage/Wochen vergehen, bis ich dem Frieden so wirklich traue.

Nicht hilfreich war im Vorfeld der Versuch, eine eSIM-Karte für das iPhone über die Firma Truphone (hier) zu beziehen. Insgesamt ca. 20 Versuche (!) über einen Zeitraum von fünf oder sechs Tagen hinweg, über meine oder ihre Kreditkarte den Tarif für die Region Australien/Neuseeland zu buchen schlugen fehl (die Anfrage an den Support wurde „prompt“ nach zehn Tagen mit einer nichtssagenden „Wir hoffen, es hat dann doch noch geklappt“-Email beantwortet – pffffft!). Am Ende löschten wir die App und sie besorgte sich vor Ort in Orewa eine „normale“ SIM-Karte von Vodafone (das schrieb ich dem Support dann auf die Anfrage, ob alles dann doch noch geklappt habe). Nachdem wir zum Aufladen der Karte erst einmal einen kleinen Life-Hack ausprobieren mussten, denn ihre Apple-ID ist natürlich mit uns allen in einer Familie verbunden, was ihren Zugriff auf den deutschen iTunes Store begrenzt, ist sie mittlerweile in der Lage vor Ort zu telefonieren und mobile Daten zu verwenden. Wieder ein Problemchen gelöst.

Nun bekommen wir hier via iCloud Fotostream Bilder von beneidenswert warmer Umgebung und STRAND (fast) vor der Haustür zu sehen. Die meisten Stimmungswolken scheinen sich verzogen zu haben. Aber – wie gesagt – ich bin noch in abwartender Haltung, wie sich der Schulstart nächste Woche anlässt…

Alles in allem ist es für uns Eltern ein ganz eigenartiges Gefühl, die eigene Tochter etwa 18.000 Kilometer entfernt zu wissen. Andererseits scheint es ihr dort – zumindest mittlerweile – wirklich gut zu gehen. Der Abnabelungsprozess war für sie besonders schwierig, vielleicht war das auch schon der lehrreichste Teil der Reise, dieses Gefühl, wirklich auf sich selbst angewiesen zu sein, die Unwägbarkeiten einer solchen Reise allein durchstehen zu müssen. Und sie hat das ja geschafft. Nun, wer weiß?

Wie ich ihr empfohlen habe, schreibt sie einen Blog über die Zeit am anderen Ende der Welt – auch in den Wochen davor war das ein Mittel, sich durch den Schreibprozess ein wenig von der Dringlichkeit der Situation zu distanzieren. Wer Interesse daran bekommen hat, was sie dort erlebt, der kann sich hier ein Bild davon machen.

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