Gelesen: „Der schwarze Korsar“ von Emilio Salgari

Vor etlichen Jahren – es müssen mindestens 35 sein – gab es in Würzburg ein Stadtfest, in dessen Rahmen die Stadtbücherei vor dem Falkenhaus ihren Stand aufgebaut hatte und ausgemusterte Bücher zu Schleuderpreisen (50 Pfennig/Buch) anbot. Meine Mutter sah das, schob mich hin und ließ mich fünf Bücher aussuchen. Eines davon war ein sehr dicker Wälzer, ein Sammelband, in dem „Der schwarze Korsar“ und „Die Karibenkönigin“ von Emilio Salgari zusammengefasst waren.

Ansonsten hatte ich mir noch ein paar Science Fiction-Bücher ausgesucht, darunter ein paar klassische Geschichten wie „Ein Roboter in der Garage“ von William Voltz oder „Entscheidung im Weltraum“ von Peter Dubina, die ich mir beide erst im letzten Jahr als eBooks gekauft und mit herrlich nostalgischem Gefühl wieder gelesen habe. Science Fiction hat mich schon immer mehr gepackt, daher musste der Piraten-Abenteuer-Roman von Emilio Salgari noch einige Zeit warten. Doch kurz vor Ostern des folgenden Jahres war ich soweit und schnappte mir das Buch.

Trotz der gehörigen Dicke kam ich sehr gut voran, da die Erzählung sich sehr flüssig liest und auch für einen jungen Leser gut verständlich war. Noch dazu gab es alle paar Seiten ein cooles Bild, das die Piraten, die natürlich die Protagonisten der Geschichte waren, bei ihren Abenteuern zeigten.

Die Geschichte zog mich derart in ihren Bann, dass ich am Karfreitag nach dem Mittagessen anfing zu lesen und erst gegen 17:00 h wieder herausgerissen wurde, weil meine Eltern säuerlich an der Tür standen: Ich hatte über das Lesen den Gottesdienst vergessen, was für mich als Ministranten gar nicht gut ankam. Tja, es waren eben noch andere Zeiten damals.

Doch alles in allem war das ein einschneidendes Erlebnis für mich als allerhöchstens Zehnjährigen. So tief war ich noch nie in einem Buch versunken, so gepackt hatte mich noch keine Geschichte – es war geradezu elektrisierend. Ich wollte dieses Gefühl, vollkommen von der Geschichte gepackt zu werden, unbedingt reproduzieren. Also las ich noch viele andere Bücher. Alle paar Jahre kehrte ich zum Schwarzen Korsaren zurück, ich fand sogar in meiner Klasse am Gymnasium einen Mitschüler, der andere Bücher des gleichen Autors gelesen hatte, sodass wir tauschen und davon schwärmen konnten.

Nun habe ich mir das Buch, das so alt ist, dass es gemeinfrei und somit kostenlos zu haben ist (geschrieben 1898), noch einmal in Form eines eBooks gelesen. Das Erlebnis war immer noch gut, doch das frühere Feuer wollte nicht mehr ganz so in Gang kommen. Die Gründe sind für mich ganz klar ersichtlich:

  • Im Vergleich zu den hunderten anderer Bücher, die ich seither gelesen habe, ist „Der schwarze Korsar“ dann doch ein recht einfach gestrickter Abenteuer-Roman – passend für die Zielgruppe, die nun einmal eher Kinder und Jugendliche sind.
  • Immer wieder laufen die Protagonisten sehenden Auges in Fallen oder andere Problemsituationen, aus denen sie nur mit der Deus-ex-machina-Methode gerettet werden können.
  • Noch dazu ist das Buch ein Kind seiner Zeit, das mit den üblichen rassistischen Ansichten eines anderen Zeitalters daherkommt: Mokko, ein afrikanischer Sklave, der im Dschungel lebt und Schlangen züchtet, bis er sich den Piraten anschließt, wird das ganze Buch über nur als Neger und Gevatter bezeichnet. Natürlich ist er ein geradezu übermenschlich starker Riese, der jedoch (ganz nach Bedarf der Handlung) schlau und verschlagen sein kann. Ein typisches Sammelsurium der damals üblichen Vorurteile.
  • Was mir früher nie in dem Ausmaß aufgefallen war (vielleicht liegt es auch an der anderen Übersetzung der eBook-Ausgabe), ist das Übermaß an weitgehend für Handlung und Stimmung des Buchs irrelevanten Natureindrücken. Ich verstehe, dass der Autor hier sicher versucht hat, mehr Authentizität in seinen Roman zu packen, doch gab es in den vergangenen Tagen schon ein paar Momente, wo ich nach dem Lesen von seitenlangen Beschreibungen der Flora und Fauna nicht mehr wusste, was ich ein paar Absätze weiter oben gelesen hatte. Das ist nicht spannend.

Auch wenn das jetzt alles danach klingt, als hätte ich das erneute Lesen nicht genossen, kann ich doch versichern, dass es überwiegend ein großes Vergnügen war. Nur gab es eben auch ein paar Momente, in denen ich deutlich merkte, dass die Zeit, in der ich solche Abenteuerromane lesen möchte, zu Ende geht oder schon gegangen ist. Angesichts der ungeheuren Mengen an neuen Büchern, die es noch zu lesen gibt, ist das für mich ganz gut zu verschmerzen. Als nächstes steht „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ von Ray Bradbury dran.

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